Atemzeit Nr.4
Leib und Seele, Körper und Psyche, Ich und Dasein
Wenn ich mich bewege, ist es der Körper oder die Psyche, der / die diese Bewegung braucht ?
Wenn ich mich bewege, kommt dieses Streben nach Bewegung vom Körper oder von der Psyche ?
Wenn ich mich bewege, pflege ich meinen Körper oder meine Psyche ?
Aber gibt es wirklich ein “oder” ? Ist es nicht einfach ein “und”?
Als Atemtherapeuten zwingt uns dieses “und” zu mehr Verantwortlichkeit. Je nach Ausarbeitung und Dynamik einer Übung ist das Ergebnis nicht dasselbe.
Zum Beispiel kann zwar eine Bauchübung den Bauchumfang verringern, aber eine solche Übung kann auch Inkontinenz verursachen oder / und eine strenge Verhaltensweise gegen sich selbst und die anderen begünstigen – das Leben selbst ist wie gepresst -, oder / und diese Übung stört die Verbindung mit unserer Weiblichkeit – Schokoladentafeln können ja die Männer haben -, oder / und eine solche Übung führt nach und nach zu einer schwächeren Stimme, – denn die Luftsäule, die zwischen dem Oben und dem Unten durchgeht, ist abgeschnitten.
Die Stimme, der hörbare Ausdruck unserer Atmung wird abgeschwächt. Die Atmung, wie die Stimme, ist Ausdruck unseres inneren Zustands.
Die Kraft ist nicht am richtigen Ort. Was hat also die Übung bewirkt ?
Ein ungleichgewicht in Leib und Seele.
Diese Verbindung zwischen Leib und Seele kennt und benutzt man überall im militären Bereich. Wenn gewisse Übungen gemacht und bestimmte Ausdrücke benutzt werden, die eine bestimmte Atmung fördern, wandern sich Körper und Persönlichkeit.
Ein anderes Beispiel ist die Körperhaltung. Diese muss nicht unbedingt korrigiert werden, wenn die Psyche nicht bereit ist. Solche Übungen, die die Körperhaltung “verbessern” wollen, bringen nämlich anderen Verkrampfungen mit sich. Es kommt also nicht zu eine Tonisieren, Dehnung, sondern eher zu einer Verkrampfung, weil die Psyche nicht bereit für diese “Verbesserung” (z.B. Aufrichten der Rückenwirbelsäule) ist. Leib und Seele sind nicht bereit dafür.
Aber wenn die Psyche bereit ist, folgt der Körper. Die Verbesserung geschieht wie ihrer selbst.
Körperhaltungsübungen sollten eventuell mit Gesprächen gekoppelt werden, die zu einer Änderung der Verhaltensweise führen. In einer rein körperlichen Arbeit sind die besten Körperhaltungsübungen wechselnde und dynamische Übungen, die die Psyche auch erreichen können. Die Atmung ist die Verbindung zwischen Leib und Seele, ebenso wie die Stimme.
Ischiaschmerzen, Bandscheibenleiden… Dennoch ist die Lendenkurve mit der Freude verbunden! Je beweglicher und harmonischer die Wirbelsäulekurven miteinander sind, desto “geschmeidiger” wird unser ganzes Leben, desto mehr können wir Freude ausstrahlen. Sagt man also nicht: “Freudenmädchen” ?…
Bei alten Menschen ist diese Kurve – die Lendenkurve – sogar umgekehrt. Sie gehen – die Menschen -, sie bleibt – die Kurve -, rückwärts. Nach und nach macht die ganze Wirbelsäule einen “C”-Bogen. Alles drückt weniger Freude aus: Leib und Seele.
Hier bringt es nichts, reine Körperhaltungsübungen zu machen, sondern zuerst die Atmung anzuregen, und die Lust, wieder zu singen oder zu pfeifen. Der überflüssige Schleim wird nach aussen abgesondert, die Lungen gereinigt, das Innere beweglicher.
Mit regelmässigen Wiederholungen und Vergnügen gemacht, – immer diese Verbindung zwischen Leib und Seele -, wirken solche Übungen wie Wunder.
Die eigenen inneren Kräfte werden da sein, die Körperhaltung verbessert sich von innen heraus, und der Körper kann nun auch – eventuell mit Hilfe – besser verstehen und wahrnehmen, welche Übungen für ihn geeignet sind. Leib und Seele.
Diese enge Verbindung zwischen Leib und Seele kann man in jedem Zeitalter feststellen:
• das körperliche Verhalten des Säuglings und die Qualität der Beziehung zwischen seinen Eltern
• die Verdauung des Schülers und die schulische Stimmung (Schulkameraden, Lehrer…)
• die zahlreichen Migräneanfälle der Frau und die Verhaltensweise ihres Mannes
• das Gefühl der älteren Menschen, nicht mehr nützlich zu sein und ihre Gedächtnisschwäche.
Klischee ? Übertrieben ?
Was will uns unser Körper sagen, was will unsere Seele ausdrücken, was beschreibt unsere Atmung im Ruhestand, während der Aktivität, in der Beziehung mit den anderen ?
Schauen Sie sich die Karikaturen an – s. unten – und machen Sie die folgenden Übungen: behalten Sie während 1-2 Minuten die Stellung der unterschiedlichen Personen, die mit ihrem Handy telefonieren. Atmen Sie bewusst. Was fühlen Sie körperlich, seelisch? Und falls sich eine dieser Lagen noch und noch wiederholt?
Letztes Beispiel.
Es war in einem Krankenhaus, und eine Frau sass vor mir: sie konnte sich kaum bewegen, und sie konnte kaum auch nur einige Geräusche und Laute von sich geben. Sie hatte Knochenkrebs und schon zahlreiche Behandlungen gehabt. Sie schien eine lebendige Tote zu sein.
Diese Frau hatte Klavier gespielt und konnte Noten lesen. Also haben wir zuerst angefangen, nur an die Noten zu denken. Dann sang ich laut, sie nur in Gedanken; aber es wirkte schon in ihrer Kehle.
Wir machten auch bestimmte Nasenhygieneübungen, indem wir gewisse Töne in Richtung des oberen Nasengangs lenkten und auch klopfende Nasenpflege ausübten. Und noch dazu Übungen mit leichtem Klopfen auf den Brustkorb.
Und es geschah, was geschehen musste. Nachdem sie eine Menge Schleim und Verschmutzung ausgeschieden hatte, kam die Stimme wieder. Schwach am Anfang, aber immer stärker. Und diese Frau selbst war anwesender. Das heisst, durch ihre Stimme, den Ausdruck ihres Atems, konnte sie sich besser positionieren. Sie, als Frau, als Mensch. Nicht mehr nur als Kranke oder als bald gestorbene Person. Ihre Laune war viel besser, sie machte Scherze gern, und sie hatte ihre Kommunikationsfähigkeit wiedergefunden.
Wir, als Atemtherapeuten, haben dieses Glück, diese Verbindung – Leib und Seele – wahrnehmen zu können. Wir brauchen nicht irgendeine Methode, die jetzt in Mode ist, zu immitieren. Schätzen wir, behalten wir die Verbindung im Vordergrund aus Liebe zu unseren Kunden, aus Rücksicht auf uns selbst. Leib und Seele
Denise Krummenacher-B
Atemtherapeutin nach Methode Klara Wolf (IAB)
Autorin von “Atemübungen für ein unbeschwertes Leben, Prävention und Behandlung”
www.respir.ch